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In dieser Episode erfährst du
- Warum es für die Resilienz keine gute Idee ist, immer auf das Schlechteste vorbereitet zu sein
- Wieso ein Spaghettieis mehr als eine kalte Erfrischung ist
- Was die Londoner U-Bahn mit einer positiven Grundeinstellung zu tun hat
- und wie du deine positive Grundeinstellung im Alltag stärken kannst - auf leichte Weise.
Außerdem bekommst du von mir zwei tolle praktische Übungen, die du gleich ausprobieren kannst.
"Ich erwarte immer das Schlimmste!"
Eine Seminarteilnehmerin sagte mal zu mir: „Ich erwarte immer das Schlechteste und freue mich dann, wenn ich positiv überrascht werde. Das ist doch eine super Strategie, dann erlebe ich viel weniger Enttäuschungen.“
Ich kenne einige Menschen, die so denken.
Und es kann einem als gute Schutzmaßnahme vor den Bitterkeiten des Lebens erscheinen, wie eine Art mentaler Airbag. Und ja – kurzfristig kann diese Haltung helfen, einen Absturz weniger schmerzhaft zu machen. Man ist vorbereitet. Vielleicht sogar stolz drauf: „Ich hab’s ja gewusst.“
Ich finde trotzdem nicht, dass diese Strategie nachahmenswert ist.
Denn: Du trainierst dein Gehirn auf Pessimismus.
Wenn du immer das Schlechteste erwartest, schickst du quasi einen Suchauftrag in dein Leben: „Ah, das scheint wichtig zu sein. Ich suche mal nach mehr Schlechtem.“
Und garantiert: Es findet sich immer irgendwo ein Haar in der Suppe.
Echte Vorfreude kann so gar nicht aufkommen. Denn: Wer weiß, was die Sache noch vermiesen oder kaputt machen könnte.
Und was du wahrnimmst, sind definitiv eine Vielzahl negativer Gefühle und ein vergleichsweise geringer Anteil positiver Gefühle.
Bitte erinnere dich an die Positive Psychologie aus den vorhergehenden Episoden:
Mehr positive als negative Gefühle in Summe wahrzunehmen, zu spüren ist ein wichtiger Resilienzfaktor.
Was steckt hinter einer positiven Grundeinstellung?
Eine positive Grundeinstellung ist weit mehr als nur „gut gelaunt“ zu sein oder optimistisch zu denken.
Es ist eine innere Haltung, die es dir ermöglicht, Herausforderungen und schwierigen Situationen mit Stabilität und einem konstruktiven und lösungsorientierten Ansatz zu begegnen.
„Et hätt noch immer jot jejange“ sagt der Kölner.
Was klingt wie ein Spruch vom Karnevalswagen oder aus der Kölschkneipe, ist in Wahrheit ein kleines Lebensmanifest. „Et hätt noch immer jot jejange“ – das sagt nicht: „Mach dir nie Gedanken.“ Das sagt: „Mach dir nicht zu viele.“
Der Spruch drückt ein Grundvertrauen aus, dass die Dinge sich am Ende fügen – vielleicht nicht immer so, wie man es erwartet hat, aber eben „jot“.
Es geht bei diesem Satz auch um die Bereitschaft, die Dinge zu akzeptieren, die man nicht ändern kann. Statt sich verrückt zu machen, schaut man lieber mit einem Augenzwinkern nach vorne.
Eine positive Grundeinstellung beinhaltet also einen realistischen Optimismus, den Glauben und die Erfahrung, dass auch schwierige Zeiten vorübergehen werden.
Wir können es nicht immer in unserem Tempo erzwingen, manchmal müssen wir uns in Geduld üben. Aber: Positive Ergebnisse sind möglich! Und wir können aktiv dazu beitragen, indem wir uns fragen: „Was kann ich tun, um die Situation zu verbessern - oder zumindest: um irgendwie damit klarzukommen?“
„Et hätt noch immer jot jejange“ ist also kein Freifahrtschein fürs Nichtstun. Es ist ein innerer Kompass, der uns hilft, im Chaos des Lebens nicht die Nerven zu verlieren – und daran zu glauben, dass der nächste Schritt schon kommt. Vielleicht stolpernd. Aber er kommt.
Zynismus killt gute Gefühle
Was auch dazu gehört ist - mal wieder - die Dankbarkeit: Auch in schwierigen Zeiten blühen die Tulpen, gibt es eine leckere Tasse Kaffee oder Tee, einen Plausch mit der Nachbarin, ein Spaghetti-Eis in der Eisdiele. Es geht um den Moment.
Spaghetti-Eis ist mehr als Vanille mit Erdbeersoße – es ist Kindheit, Sonne, Sommer, Freude im Becher. Wenn du diesen Moment wirklich spürst und dich darüber freust, bist du voll im Jetzt. Und das ist gelebte Achtsamkeit.
Echte Dankbarkeit entsteht in den kleinen Freuden des Alltags!
Was ich in sozialen Medien, aber auch in Büchern und im Fernsehen dagegen häufig wahrnehme ist der Trend zum genauen Gegenteil: Ein spöttischer oder gar zynischer Blick auf das Leben und die Welt.
Zynismus ist ein bisschen wie schwarzer Humor: Er wirkt überlegen, clever, und auch unterhaltsam – aber wenn man sich zu sehr drauf verlässt, verpasst man echte Verbindung, Mitgefühl und Begeisterung.
Der moderne Zynismus will die Gesellschaft entlarven, überholte Werte enttarnen - und man macht sich gerne lustig über das Gute, Leichte und Schöne.
Es gilt als belanglos oder oberflächlich. So nach dem Motto: Dankbarkeit ist was für Weicheier. Oder für einen Postkarten-Spruch auf Instagram. „Oh, wie süß – du bist dankbar. Guck mal, der kleine Sonnenschein da.“
Klar, die Kritik richtet sich im Grunde nicht gegen die echten, tiefen Gefühle, sondern will Optimierungsdruck oder übertriebene Positivität und die Vermarktung von Gefühlen aufs Korn nehmen.
Ich finde trotzdem, das entwertet gleichzeitig etwas Echtes, Kraftspendendes. Das Weiche - und auch das Verletzliche - wird der Lächerlichkeit preisgegeben.
Gute Gefühle wirken uncool, während alles was ätzt, an den Pranger stellt und zynisch ist, als zeitgeistig erscheint. Ich finde das gerade auch für junge Menschen, die noch in der Findungsphase sind, sehr kraftraubend. Und verwirrend.
Zynismus scheint zwar ein probater emotionaler Schutzpanzer in schwierigen Zeiten zu sein - und er kann auch unterhaltsam sein, wenn er aus spitzer Feder fließt, aber: Als Lebensstrategie ist er gänzlich ungeeignet. Er schürt Misstrauen und Pessimismus, verhindert Empathie und kann sogar depressiv machen.
„Der Zyniker kennt den Preis von allem und den Wert von nichts.“
So ungefähr hat es Oscar Wilde gesagt.
Lass uns in den Untergrund gehen
Und damit kehren wir wieder zurück zur positiven Grundeinstellung. Sie hilft uns gerade in schlechten Zeiten, wenn wir uns verändern und an veränderte Lebensbedingungen anpassen müssen.
Ich habe für dich ein spektakuläres Beispiel.
Dazu nehme ich dich jetzt mit nach London… in den Untergrund.
Stell dir jetzt mal London im 19. Jahrhundert vor. Wir schreiben das Jahr 1860.
Die Stadt brodelt. Die Industrialisierung hat voll eingeschlagen: überall sind Fabriken, Eisenbahnen, Schornsteine und Ruß. Dazu der berüchtigte Londoner Nebel. Die Luft ist schwer und trübe.
Wer reich ist, lebt wie in einem Roman von Jane Austen. Wer arm ist, steckt oft mitten in einem Kapitel von „Oliver Twist“.
In der Innenstadt drängen sich Menschen. Die Situation auf den Straßen ist chaotisch. Verkäufer preisen ihre Waren an Straßenständen an, Kutschen preschen durch die Gassen, da sind Bettler, Dienstmädchen, Geschäftsleute, Kinder – alle teilen sich den öffentlichen Raum. Es gibt keine Bürgersteige im modernen Sinn. Überall liegt Pferdemist. Und oft gibt es kein Durchkommen mehr. Denn immer mehr Menschen müssen immer weitere Wege auf sich nehmen, um zu ihrer Arbeit zu gelangen.
Der Leidensdruck der Bevölkerung ist groß. Ein Ausbau der Eisenbahn innerhalb der City ist gleichzeitig indiskutabel.
Da kommt eine verrückte Idee auf:
Was, wenn wir den Verkehr unter die Erde verlegen?
Eine skandalöse Idee! "Unter der Erde? Im Dunkeln? Zwischen Ratten und Leichenresten der Pestzeit?“
Der radikale schottische Prediger John Cumming warnt ausdrücklich vor den Folgen der Metropolitan Railway: „Das bevorstehende Ende der Welt würde beschleunigt durch den Bau unterirdischer Eisenbahnen, die in die Höllenregionen hineinwühlen und dadurch den Teufel stören.“
Die Menschen haben Angst. Es scheint undenkbar.
Und trotzdem – es passiert. Die Bauarbeiten beginnen im Mai 1860.
Am 10. Januar 1863 wird sie eröffnet: Die Metropolitan Railway – die erste U-Bahn der Welt. Sie führt vom Bahnhof Paddington nach Farringdon in der Nähe der City of London.
Und sie ist nicht mehr wegzudenken, heute kennen wir du U-Bahn in London als London Underground oder The Tube.
Und damit zurück in die Jetzt-Zeit. Was für uns interessant ist: Der technische Bau der U-Bahn war nur ein Teil der Herausforderung. Die eigentlich tiefgreifende Veränderung spielte sich in den Köpfen der Menschen ab. Genau da liegt die psychologische Anpassungsleistung – und die ist spannend.
Was waren die entscheidenden Veränderungen?
1. Die Überwindung von Urängsten
Die Vorstellung, sich unter der Erde zu bewegen, war für viele Menschen unheimlich.
Das liegt an den Assoziationen mit Dunkelheit, Enge, Tod oder dem „Reich der Toten“ – tief verwurzelt in Mythen und Religion.
Psychologisch war das eine massive Grenzverschiebung: Sicherheit im Unbekannten zu finden.
2. Das Aufbrechen alter Gewohnheiten
Die Menschen mussten ihr vertrautes Fortbewegungsverhalten ändern.
Statt mit Pferdekutsche durch bekannte Straßen zu fahren oder zu Fuß zu gehen sollten sie nun in eine enge, laute, dunkle Röhre steigen.
Das bedeutete: Sie mussten Routine gegen Neuheit tauschen – ein Klassiker der Anpassung.
3. Vertrauen in neuartige Technologie entwickeln
Maschinenkraft, Tunnelbau, Elektrifizierung – alles war neu.
Vertrauen aufzubauen in etwas, das man weder kennt, sieht noch versteht, ist psychologisch herausfordernd.
Es brauchte: Vertrauen statt Kontrolle – ein zentraler Baustein von Resilienz. Und ein wesentlicher Aspekt unserer positiven Grundeinstellung.
4. Die Anpassung an neue soziale Dynamiken
Plötzlich saß man dicht gedrängt mit Fremden im Zug – egal ob arm oder reich. Das war ungewohnt und teilweise bedrohlich – soziale Nähe in einem anonymen Raum.
Heute ist das selbstverständlich – aber damals war das ein echter Kulturbruch.
5. Die Akzeptanz von Wandel als Teil des Alltags
Was am Anfang wie ein Experiment wirkte, wurde Alltag. Die Bevölkerung musste lernen: Veränderung ist nicht Ausnahme, sondern Normalität.
Diese Haltung ist ein Kernmerkmal psychologischer Resilienz.
Die gute Nachricht ist: Wir Menschen können es!
Natürlich: Wo Veränderung ist, ist immer auch Angst. Aber eine positive Grundeinstellung ist ihr Gegenspieler: Sie gibt Mut, Dinge auszuprobieren, kalkulierte Risiken einzugehen, Neuland zu betreten.
Was die Wissenschaft dazu sagt
Neurowissenschaftler:innen haben gezeigt, dass eine positive Grundeinstellung positive Veränderungen im Gehirn bewirken kann.
Positive Gedanken fördern die Aktivität im präfrontalen Kortex – dem Teil des Gehirns, der für Entscheidungen und Problemlösungen verantwortlich ist.
Positive Emotionen erweitern unsere Denkweise und verbessern die kognitiven Fähigkeiten wie Kreativität und Problemlösungsfähigkeiten.
Eine positive Grundeinstellung ist ein entscheidender Faktor für Resilienz. Schwierige Zeiten können als vorübergehend und lösbar betrachtet werden. Es gibt Hoffnung.
Denn: Ett hätt noch immer jot jejange.
Das wirkt sich auch auf die Beziehungen zu anderen Menschen aus. Menschen, die eine positive Grundeinstellung haben, sind eher in der Lage, Konflikte konstruktiv zu lösen und eine Atmosphäre der Zufriedenheit und Unterstützung zu schaffen.
Und natürlich stärkt die positive Grundeinstellung auch das Immunsystem.
Wie kannst du deine positive Grundeinstellung stärken?
Eine sehr gute Frage!
Und die gute Nachricht: Es gibt ganz viele Pack-an’s:
Alles, was ich in meinen Podcasts als Tipps zur Selbstfürsorge gebe, hilft enorm, alles, was du tust, um andere selbstlos zu unterstützen, ebenfalls, und natürlich alles was deine Dankbarkeit und dein Selbstvertrauen stärkt.
Wenn du mit den Basics anfangen möchtest, dann wäre es interessant, erst einmal hinzuschauen und dich selbst zu beobachten:
- Wie geht es dir wirklich?
- Was gibt dir Kraft auf deinem Weg?
- Was raubt dir Energie?
- Was sagt dein Körper zu all dem?
Vielleicht magst du diesbezüglich mal die kostenlose Meditations-App InsightTimer auf deinem Handy installieren.
Und dann suchst du auf InsightTimer nach mir.
Du bekommst mithilfe der von mir angeleiteten Übungen einen guten Zugang zu dir und deinen Bedürfnissen, kannst aus dem Kopfkino aussteigen und reduzierst Negativität.
In der Audio-Version habe ich zwei praktische Übungen für dich.
Sie starten bei Minute 21:18.
Es lohnt sich also, ins Audio reinzuhören.
Ich wünsche dir von Herzen alles, alles Liebe, und starte nun mit der zweiten Übung, ich nenne sie mal deine Haltung der Hoffnung.
Herzlichst, deine Ursula