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Du kannst die Episode hier auch in Textform lesen.
Du erfährst heute:
- Wie das Hochwasser 2021 zu einer Welle der Verbundenheit geführt hat.
- Warum diese Verbundenheit so wichtig für uns ist.
- Auf welche Weise sich Konflikte zwischen Gruppen am besten auflösen lassen.
- Welchen Beitrag du für ein besseres Miteinander in unserer Gesellschaft leisten kannst.
Und vor allem: warum es gerade jetzt besonders wichtig ist, mit gutem Beispiel voran zu gehen.
Dazu habe ich drei wertvolle Tipps für dich, die dazu beitragen, dass mehr Verbundenheit, mehr Wertschätzung und mehr Wohlbefinden in deinem Umfeld und in der Gesellschaft entstehen.
Helfen verbindet
Im letzten Jahr hat Covid für mein Empfinden einen tiefen Riss in unserer Gesellschaft verursacht:
Maske ja oder nein. Lockdown richtig oder falsch. Impfen pro oder contra.
Und mit dem Hochwasser erlebten wir das Gegenteil. Die Menschen rücken zusammen. Die Not der einen und das Mitgefühl der anderen verbinden uns miteinander.
So sind wir Menschen gedacht. So ist der große Plan, wenn ich es so ausdrücken darf. Dazu sind wir auf der Welt:
Um gemeinsam Gutes zu bewirken.
Um füreinander da zu sein und miteinander die Welt zu einem guten Ort zu machen.
Und deshalb fühlt es sich auch so gut und so richtig an.
Spüre mal in dich hinein: Wie geht es dir, wenn du Verbundenheit erlebst? Zum Beispiel weil du spürst, da braucht jemand deine Hilfe. Und dann leistest du diese Hilfe. Wie fühlt es sich in dir an?
Wahrscheinlich spürst du ein Gefühl von Wärme und Freundlichkeit, vielleicht sogar Liebe. Auf jeden Fall entsteht so ein inneres JA, so soll es sein. ich bin am richtigen Ort und tue das Richtige.
Und wenn du in Not bist und Hilfe bekommst, wie fühlt sich das an?
Wahrscheinlich erlebst du in diesen Momenten der Unsicherheit einen Hauch von Zuversicht, Hoffnung und Dankbarkeit. Du spürst ein wenig Sicherheit innerhalb all dieser Unsicherheit.
So sind wir Menschen gedacht! So kommen wir in unsere Kraft und können Großes bewirken.
Und: jeder hat seine ganz besonderen Talente, die sie oder er in dieser Situation einbringen kann.
Es ist wie mit Schippen, Eimern, Gulaschsuppe und Hotelzimmern beim Hochwasser 2021. Alles wird gebraucht. Jeder hat was anderes, was ihm zur Verfügung steht und was er oder sie einbringen kann. Und in der Gesamtheit führt es dazu, dass Not gelindert wird.
Und es ist der ideale Weg um Krisen aller Art durchzustehen und die damit verbundenen Probleme zu lösen.
Menschen brauchen Menschen und Gemeinschaft
Neben dieser recht spirituellen Sichtweise, die ich ganz tief in mir drin spüre, möchte ich dir aber auch noch eine wissenschaftliche Perspektive zu diesem Thema bieten.
Ich lade dich ein, mit mir in die sozialpsychologische Forschung einzutauchen.
Dazu erzähle ich dir als erstes eine Geschichte.
Bist du bereit? Dann geht es jetzt los:
in den 50er Jahren interessierte sich der Sozialpsychologe Muzafer Sherif sehr dafür, wie es zu Konflikten zwischen Gruppen kommt - und wie diese Gruppenkonflikte wieder aufgelöst werden können.
Wir reisen jetzt gemeinsam in ein Ferienlager in den USA.
In diesem Ferienlager befinden sich für 3 Wochen 22 Jungen, die sich vorher nicht kannten.
Und sie werden zu Beginn willkürlich in zwei Gruppen aufgeteilt und an verschiedenen Plätzen des Robbers Cave State Parks abgesetzt.
Jede Gruppe bekommt einen Namen: Die einen sind die Rattlers - auf deutsch Klapperschlangen, die anderen sind die Eagles - auf deutsch Adler.
Die Jungen verbringen zunächst mehrere Tage in ihrer jeweiligen Gruppe, getrennt von der anderen. Sie unternehmen Ausflüge, gehen schwimmen, wandern und angeln, treiben Sport, sitzen am Lagerfeuer und essen gemeinsam.
Du kannst dir vorstellen, was passiert: In jeder Gruppe entsteht ein starker Zusammenhalt und infolgedessen ein Wir-Gefühl.
In der zweiten Woche treffen die Rattlers und die Eagles dann aufeinander.
Sie sollen in verschiedenen Wettbewerben gegeneinander antreten. die idee dahinter: Die Gruppen sollen in Konflikt miteinander geraten.
Und so gibt es am Ende der Wettkämpfe nur genau einen Pokal zu gewinnen. Es gibt einen Sieger und einen Verlierer.
Das stachelt die Jungs der Gruppen an, unbedingt IHRER Gruppe zum Sieg zu verhelfen.
Und so kommt es, wie es kommen muss:
Ein verlorenes Baseball-Spiel führt zu gegenseitigen Beschimpfungen.
Die Niederlage beim Tauziehen führt dazu, dass das „gegnerische Camp“ überfallen wird.
Die Gruppen werden in sich immer geschlossener. Der interne Zusammenhalt wächst mit jeder Aktion, die Abschottung nach außen wird größer.
Als im letzten Spiel dann der Pokal einer Gruppe zugesprochen wird, bricht ein Faustkampf aus.
Ich gebe dir recht, wenn du jetzt sagst: Das ist ein ethisch bedenkliches Experiment. Man würde das heute nicht mehr so durchführen.
Der wichtige Teil kommt jetzt:
In der dritten Woche liegt der Fokus darauf: Wie kann man verfeindete Gruppen wieder zusammenbringen? Wie lässt sich die Gruppenbildung auflösen?
Dazu wird als erstes die Wasserversorgung in beiden Camps abgestellt. Und die gebrochene Leitung kann nur von den Rattlers und Eagles gemeinsam repariert werden.
Als nächstes muss ein kaputter Truck mit Lebensmitteln mit einem Seil abgeschleppt werden, auch das lässt sich nur gemeinsam bewerkstelligen.
Anfangs geht all das nur mit gegenseitigen Beschimpfungen, doch je wichtiger es wird, gemeinsam ein Problem zu lösen, z.B. um Wasser und Nahrung zu haben, desto unwichtiger wird die Gruppenzugehörigkeit.
Am Ende bilden sich Freundschaften über die eigene Gruppe hinweg und sie fahren gemeinsam nach Hause.
Was sagt uns das?
Es zeigt uns sogenannte INGROUP und OUTGROUP-Phänomene. Man identifiziert sich mit seiner Gruppe und beurteilt diese als besser als die andere. Und es geht sehr schnell, sich einer bestimmten Gruppe zugehörig zu fühlen.
Konkurrenz zwischen Gruppen sorgt für Gewinner und für Verlierer
Das ist aber nicht nur im Feriencamp sondern auch in der Erwachsenenwelt kein gutes Prinzip: Zum Beispiel im Job.
Vielleicht kennst du das auch:
Der eine Bereich, die eine Abteilung lässt kein gutes Haar an der anderen. Oder zumindest beäugt man sich ein wenig skeptisch.
Auf jeden Fall gibt es in jeder Abteilung so ein Denken: wir sind die Guten!
Dazu kommt: Die Profilierung der eigenen Abteilung ist heutzutage oft wichtig, um an Einfluss oder Geld zu kommen - oder um überhaupt zu überleben.
Und das heißt: Es gibt dann im Unternehmen eine Menge Konkurrenzdenken zwischen den Bereichen, und das belebt nicht etwa das Geschäft, sondern es kostet: Zeit, Geld und Nerven.
Zurück zur Ausgangssituation: Stell dir mal vor, in der derzeitigen Lage würden Hilfsorganisationen in den Krisengebieten miteinander wetteifern, wer denn die beste Hilfestellung leistet.
Im ersten Moment klingt das vielleicht sogar verlockend: Hey, dann geben alle ihr Bestes und jedem ist geholfen. Ist doch super.
So wird übrigens auch in manchen Unternehmen gedacht.
Aber nein, so läuft es nicht.
Wenn Teams zur Konkurrenz untereinander angestachelt werden, dann verstärkt sich das Gruppendenken. Das führt zu Konflikten. Das eigene Team soll schließlich gewinnen. Und dazu muss es Verlierer geben. Es ist „wir“ gegen „ihr“.
Verbundenheit findet ausschließlich im eigenen Team statt.
Um so schöner ist es, dass wir jetzt erleben, wie sich Gruppendenken auflöst. Wie alle miteinander anpacken. In Gemeinschaft und Solidarität.
Davon brauchen wir viel, viel mehr.
Was kannst du tun, um an mehr Gemeinschaft und Verbundenheit mitzuwirken?
Mein erster Tipp für dich:
Mach Schluss mit dem sogenannten Gruppendenken!
Mach dir bewusst, was Gruppendenken auslöst. Dieses „die einen“ gegen „die anderen“. Meine Gruppe vs. deine Gruppe. Es stigmatisiert Menschen und es löst Konflikte aus, die einen Dialog schwierig machen.
Mach nicht mit, wenn es um die Abwertung der anderen Gruppe geht: Ob es in deinem Unternehmen ist, oder im größeren Kontext stattfindet, z.B. wenn es um die "Fridays For Future" Bewegung, um Corona oder was auch immer geht:
Trenne beharrlich den Menschen von den Ansichten.
Deshalb zieht sich in mir auch immer alles zusammen, wenn zum Beispiel von „Covidioten“ oder „Gretas Jüngern“ oder schlimmerem gesprochen wird.
Es darf uns nicht leicht von den Lippen gehen, Menschen zu stigmatisieren, auch wenn wir komplett anderer Meinung sind.
Gerade in den sozialen Medien fällt es mir sehr auf, dass nicht die Themen kritisiert, sondern Menschen ins Lächerliche gezogen werden.
Mach auch nicht mit, wenn im Team über „die aus der anderen Abteilung“ gelästert wird.
Das ist nicht gut für uns.
Vielleicht löst es einen Moment der Befriedigung aus, andere gedanklich in ihre Schranken zu verweisen.
Aber: Wir bauen einen Graben. Wir fangen an, andere abzuwerten. Und indem wir das Trennende betonen, wird der Dialog echt schwierig.
Es kann dann irgendwann werden wie bei den Rattlers und den Eagles.
Vielleicht fragst du dich jetzt, wie es dir gelingen kann, Menschen mit für dich abstrusen Ansichten und Wertvorstellungen NICHT abzuwerten.
Genau darauf zielt mein zweiter Tipp ab. Es ist das sogenannte Reframing:
Jeder Mensch hat einen Grund, warum er etwas tut
Vielleicht erkennst du den Grund nicht, vielleicht lehnst du ab, was jemand tut. Vielleicht ist es auch moralisch verwerflich. Aber du brauchst dich nicht davon infizieren lassen. Wenn du erkennst, es hat nichts mit dir zu tun, sondern mit der Denkweise und Lebenswelt des anderen, brauchst du dich nicht ärgern.
Du kannst dich darüber wundern. Du kannst anderer Meinung sein und das auch kund tun. Aber eben nicht wütend. Du musst es nicht persönlich nehmen.
Belasse es beim anderen. Es ist sein Ding, so zu denken.
Falls du dich fragst, warum dir das trotz allem manchmal nicht gelingt:
Dahinter stecken Werte. Und wenn die Werte des anderen nicht zu deinen passen, erkennst du das daran, dass sein Verhalten auf dich unglaublich falsch wirkt, dass es dich empört.
Wenn deine Werte verletzt werden, entsteht ein Wertekonflikt.
Und dieser Konflikt ist einer der stärksten, die man erleben kann.
Ich habe heute noch einen dritten Tipp für dich:
Gehe mit gutem Beispiel voran
Gerade, wenn es darum geht, Mitgefühl zu zeigen und Verbundenheit zu erzeugen!
Einen Aspekt habe ich ja schon genannt: Mach nicht mit bei Lästerrunden.
Beteilige dich nicht an Klatsch und Tratsch über andere, auch wenn es manchmal verlockend erscheinen mag.
Teile keine Posts, die vielleicht für einen Lacher sorgen, aber andere - als Gruppe oder als Individuum - abwerten.
Sei wirklich ein Vorbild.
Albert Bandura, einer der weltweit einflussreichsten Psychologen, hat gesagt: „Die meisten menschlichen Verhaltensweisen werden über Modelle erlernt.“
Wir lernen von Klein auf durch das Beobachten und Nachahmen anderer Menschen – vorausgesetzt, dass diese uns als Vorbild geeignet erscheinen.
Ich vermute mal, dass du in deinem Umfeld durchaus als Vorbild für Mitgefühl und Menschlichkeit geeignet bist.
Wenn jede und jeder von uns sich dessen bewusst wird, dass wir Vorbilder sein können, auf eine schöne, friedliche und freundliche Weise – in der Familie, im Freundeskreis, im Job und in den sozialen Medien, dann können wir dadurch eine Menge Einfluss auf das Miteinander, die Umwelt und das Zeitgeschehen nehmen.
Vorbild zu sein für andere ist eine ehrenvolle und wichtige Aufgabe.
Ich habe dazu noch ein schönes Zitat für dich. Es stammt von Kurt Lewin, einem Psychologen und Pionier der Forschung zur Gruppendynamik:
Ein Mensch, der erkannt hat, wie sehr sein eigenes Schicksal vom Schicksal der gesamten Gruppe abhängt, wird gerne einen angemessenen Teil der Verantwortung für ihr Wohlergehen übernehmen
Sei du dieser Mensch, der Verantwortung für das Wohlergehen übernimmt. Jeden Tag. So wie du es vermagst. Auf deine Weise.
Und damit wünsche ich dir eine mitfühlende Zeit. Bleibe freundlich verbunden – mit dir und mit anderen.
Ich sende dir die herzlichsten Grüße,
deine Ursula